Leben in Zeiten von Corona in Sarstedt

Die „Corona-Krise“ macht auch vor Sarstedt nicht halt. Nichts ist mehr wie zuvor. Auch diese Reportage wurde ausschließlich am Computer, ohne direkte persönliche Kontakte, erarbeitet.

Das waren unsere Interviewpartner im Überblick:

Einerseits: Menschen bieten ihre Hilfe an vor allem für ältere Mitbürger. Ein nettes Wort des Dankes und der Anerkennung, sogar Schokolade, Blumen gibt es für Menschen, die – Corona zum Trotz – dennoch arbeiten müssen, um den völligen Zusammenbruch des wirtschaftlichen Lebens und den Kollaps der Gesundheitsversorgung zu verhindern.

Andererseits: Einige Leute sollen bzw. dürfen nicht arbeiten – und nutzten bis Sonntag ihre Freizeit, um sich in der Öffentlichkeit zu vergnügen – und gefährdeten so die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen. Auf den deutschen Inseln wurde ein Publikumsverkehr wie in der Hochsaison registriert. Wenn man nicht arbeiten muss, dann macht man halt Urlaub…

Mit normalen Maßstäben der Vernunft ist manches nicht nachvollziehbar: So sind Berichte über „Corona-Partys“ und „Happy Corona Hours“ in Gaststätten anscheinend keine „Fake News“. 

Nun müssen Restaurants und Imbisse für den Publikumsverkehr geschlossen bleiben, nur nach telefonischer oder elektronischer Bestellung dürfen sie Speisen und Getränke im Außenverkauf anbieten. Auch der Verzehr der Speisen ist im Umkreis von 50 Metern zu diesen Betrieben unzulässig. Inzwischen ist der Zugang zu den Inseln ebenfalls nicht mehr möglich.

Auf der anderen Seite sorgen sich die Menschen, bald nicht mehr das Nötigste zur Verfügung zu haben, allen Versicherungen von Wirtschaft und Politik zum Trotz. „Hamsterkäufe“ sind die Folge. Mal ganz abgesehen von der Rücksichtslosigkeit den Mitbürgern gegenüber, die vor leeren Regalen stehen, weil einige Menschen gewaltige Mengen horten: Hamsterkäufe berücksichtigen das Mindest-Haltbarkeits-Datum nicht – notfalls werden halt später Ess-Waren entsorgt, die andere Menschen nun dringend benötigt hätten. Man könnte meinen, die Hauptmahlzeit vieler Menschen sei „Nudeln mit Toilettenpapier“.

Überhaupt scheint Toilettenpapier die neue Währung zu sein. „Suche Rolle Toilettenpapier, biete meine Freundin“, war auf Facebook zu lesen – hoffentlich nur ein makabrer Scherz in der Corona-Zeit. Ob das lustig ist in der momentanen Situation, muss jeder für sich selbst entscheiden. Jedenfalls warnt Kai Chojetzki von der Firma Bormann davor, nun das Papier von Haushaltsrollen als Ersatz für fehlendes Toilettenpapier zu nehmen: „Das zersetzt sich nicht und verstopft die Toiletten. Wir hatten schon einige Einsätze deshalb.“

Sarstedt ist keine „Insel“ in der Corona-Krise. Die Gefährdung durch das Virus wirkt sich auf nahezu das gesamte Leben aus. Und dass, obwohl es bis zum Freitag, dem 20. März offenbar in Sarstedt „nur“ zwei Corona-Patienten gab, die sich im Urlaub infiziert und sich sofort nach der Rückkehr in Quarantäne begeben hatten. Doch das kann nur so bleiben, wenn sich alle Menschen an die notwendigen Einschränkungen halten. Genau in diesem Sinne ist auch unsere Reportage zu verstehen. Das Sarstedter KLEEBLATT hat – per E-Mail – einige Sarstedterinnen und Sarstedter befragt, die in betroffenen Bereichen engagiert sind.

Sarstedts Bürgermeisterin Heike Brennecke steht ausnahmslos hinter den angeordneten Maßnahmen zum Schutz vor einer Corona-Infektion: „Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es deutlich formuliert: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“. Wir müssen jetzt alles tun, um die Infektionskette zu unterbrechen. Halten Sie Abstand voneinander. Nicht nur um sich selbst, sondern auch, um andere zu schützen. Bleiben Sie zu Hause und meiden Sie Sozialkontakte. Nur so können wir erreichen, dass sich die Ausbreitung des Virus verlangsamt. Ich bitte alle Bürgerinnen und Bürger eindringlich, sich an die Regeln und Einschränkungen zu halten. Haben Sie Verständnis, schützen Sie sich und die Mitmenschen und: bleiben Sie schön gesund!“

Stellvertretend für die Schulen haben wir Marion Heuer, Leiterin der Regenbogen-Schule, um eine Stellungnahme gebeten. Sie lobt die Eltern der Kinder als „gut organisiert und sehr vernünftig, um ihre Kinder zu schützen“. Bis Dienstag war kein Kind für die „Notbetreuung“ angemeldet. Sie selbst und ein Mitglied des Teams „Ganztag“ waren bis einschließlich Dienstag in der Schule, danach „nur noch sporadisch, um nach E-Mails und der Post zu sehen. Unsere Schulanmeldungen werden auf den Mai verschoben. Das Kollegium habe ich mit Arbeiten für home office nach Hause geschickt. Neueste Infos können unsere Eltern der Schul-Homepage entnehmen, die ich pflegen werde. Ich hoffe sehr, dass es keinen aus der Schulgemeinschaft trifft und wir uns nach Ostern alle gesund wiedersehen.“

Die Aussage von Marion Heuer deckt sich mit der von Claudia Wallbaum, bei der Stadt Sarstedt für die Kindergärten und Grundschulen zuständig: „Bisher erfolgt keine Notbetreuung in den Sarstedter Grundschulen. In den Kitas werden lediglich vereinzelt Kinder der Eltern betreut, die unter die sogenannten „Ausnahmefallgruppen“ fallen. Das Familien-Servicebüro der Stadt Sarstedt ist in engem Kontakt mit den Kita-Leitungen und dem Stadtelternrat, um ggf. auch kurzfristig reagieren und organisieren zu können. Wir haben den Eindruck, dass sich die Eltern in dieser schwierigen Situation gut organisieren“.

Verständnis für die angeordneten Maßnahmen hat Roger Olbinsky, der Vorsitzende der GHG: „Wir müssen die Infektionsketten unterbrechen und die Kurve flach halten. Dazu müssen alle mithelfen.“ Bis zum 21. März war sein Friseurbetrieb noch geöffnet. Dort wurden konsequent Hygienemaßnahmen durchgesetzt und auf den notwendigen Abstand geachtet: „Da wir Platz haben und eine gute Terminvereinbarung, ist gewährleistet, dass immer Abstand zwischen den Kunden ist. Nach jedem Kunden wurde der Platz desinfiziert.“ Nun muss auch er seinen Salon ruhen lassen.

Stadtmanagerin Andrea Satli verweist auf Alternativen zum „Einkauf mit direktem Kontakt“: „Wir befinden uns zurzeit in einer Situation, die wir so noch nicht erlebt haben. Zahlreiche Maßnahmen führen dazu, dass wir uns in vielen Bereichen einschränken müssen. Das betrifft unser tägliches Leben. Eine Lösung, um sich mit Produkten einzudecken, ist der neue Online-Marktplatz. Unter www.sarstedter.online können Produkte aus unserer Stadt online bestellt werden. Ein Kurier aus Sarstedt sichert die Zustellung bis zur Haustür. Geschäfte aus Sarstedt, die sich dem Online-Marktplatz anschließen möchten, können sich jederzeit bei uns melden. Darüber hinaus richten wir mit SPONTAN und den Kirchengemeinden eine Anlaufstelle für gefährdete Gruppen wie Seniorinnen und Senioren ein, um diesen z.B. beim Einkaufen von Lebensmitteln zu helfen. Wir werden in Kürze ausführlich darüber berichten.“

Die Kulturgemeinschaft hatte – wie auch der Harmonika Club Sarstedt – bereits vorsorglich reagiert und Veranstaltungen wie die „5. Sarstedter Blues- und Rocknacht“ frühzeitig abgesagt bzw. verschoben, obwohl es zu dem Zeitpunkt noch keine Vorgaben, Mitteilungen oder Informationen von der Stadt, dem Land oder Bund gab und lediglich Veranstaltungen mit mehr als 1000 Beteiligten nicht mehr stattfinden sollten.
Hans Kollecker, Kassenwart und Vorstandsmitglied der Kulturgemeinschaft: „Es ging uns nicht um Einnahmeausfälle, sondern darum, dass sich Menschen bei dieser Veranstaltung auf engstem Raum begegnen und die Ansteckungsgefahr zwangsläufig sehr hoch ist. Das hat uns dann auch bewegt, die nächste Veranstaltung am 27. März mit Robby Ballhause abzusagen. Dann haben wir zwei größere Veranstaltungen, wo wir mit den Künstlern laufend Kontakte haben, diese beiden großen Veranstaltungen werden wir aus heutiger Sicht auch verschieben müssen, Terminabsprachen mit der Stadt/Stadtsaal laufen. Unser gesamtes Programm gerät ins Schwimmen, wir wollen und werden aber das Beste daraus machen, machen müssen. Auch unsere Mitglieder-Versammlung wird verschoben werden. Unser Ziel ist und bleibt, die Sarstedterinnen und Sarstedter und den Landkreis mit kulturellen Angeboten zu versorgen. Dabei dürfen wir nicht die unermüdliche ehrenamtliche Arbeit unserer Helferinnen und Helfer überstrapazieren, weil das Programm ja dann zeitlich viel kompakter wird. Wir befürchten eine kommende Ausgangssperre und können eigentlich nicht mehr tun, als allen Menschen in Sarstedt, dem Landkreis, Deutschland (und der Welt) zu wünschen, dass die Corona-Pandemie nicht so gravierend endet, wie von vielen Experten vorausgesagt“.

„Andere Formen“ müssten gefunden werden, so Harald Volkwein, Pfarrer der Heilig Geist-Kirchengemeinde: „Gottesdienste finden nicht nur nicht statt: Sie sind sogar untersagt. Und das aus guten Gründen, die wir in diesen Tagen kennengelernt haben. Diese notwendige, aber bisher noch nicht dagewesene Situation ist für mich völlig neu: Wir werden nicht Ostern feiern können in der Weise, die uns bisher vertraut ist. Menschen dürfen sich nicht zum Gebet versammeln. Wie kann unter diesen Bedingungen Kirche ihren Auftrag wahrnehmen, Glauben, Trost, Stärkung, Ermutigung zu verkünden? Wir sind als Seelsorgeteam gerade am Anfang, uns darüber Gedanken zu machen – mit hoffentlich ein paar kreativen Ideen“.

Selbstverständlich ist auch der Sport in starkem Umfang von den notwendigen Einschränkungen betroffen. Was der TKJ-Hauptvereins-Vorsitzende Eric Kiepke formuliert, gilt auch für die anderen Sportvereine:
„Es ist erschreckend zu sehen, wie ein ganzes Land in so kurzer Zeit von einer Pandemie betroffen wird, und ernüchternd, wie wenig man doch dagegen tun kann und wie sich die Ansteckungsketten durch internationale Verflechtungen verselbständigen. Wir vom TKJ haben sehr schnell reagiert und den kompletten Sportbetrieb als auch alle anderen Vereinsveranstaltungen abgesagt. Es ist jetzt an jedem Einzelnen sich zu bemühen, dass die Ausbreitung des Virus nicht weiter voranschreitet bzw. verhindert wird. Besonderen Respekt habe ich vor den vielen Pflegern, Ärzten, Verkäufern und den vielen anderen Menschen, die trotz des eigenen Risikos täglich ihren Aufgaben nachkommen. Wenn dann hoffentlich die Pandemie mit möglichst wenig Opfern vorbei ist, hoffe ich, dass die wirtschaftlichen Folgen für uns alle nicht zu hart sind. Wenn der Staat dann ggf. Notfallprogramme auflegt, was ich ausdrücklich begrüße, hoffe ich, dass es nicht zu viele Trittbrettfahrer gibt, die ohne Not die Hilfe der Gemeinschaft annehmen.“

Text: Jürgen Matz