„Geh hin und schau“ – Melancholische Töne bei WORTundMUSIK

Untermalt durch Charlotte Lüdickes kraftvolles Orgelspiel regt Lektor Paul-Ernst Nagel mit wenigen, wenn auch deutlichen Worten zum Nachdenken an.

 (jph). Frühlingshaft-wechselhaft ist es. Während der kräftige Wind immer wieder dicke Regenwolken vor die Sonne schiebt und die Zweige der Bäume wild hin und her wiegen, ist es in der St. Nicolai Kirche ganz still. Eine Handvoll Menschen, sowohl jüngerer als auch älterer Semester, haben sich hier am 27. Mai für die letzte musikalische Andacht aus der Reihe WORTundMUSIK versammelt, ehe diese in die Sommerpause geht. Eine Andacht für all jene, die „den Monat mit einem bedenkenswerten Gedanken und erfüllender Musik beenden“ möchten, verspricht Pastor Matthias Fricke. 

WORTundMUSIK – so der Titel der musikalischen Andachten. Doch vieler Worte bedarf es eigentlich nicht. Dies wird klar, als Kantorin i.R. Charlotte Lüdicke die ersten Töne von Louis Viernes „Cathédrales“ erklingen lässt. Ein gewaltiges Orgelstück, mystisch, geradezu dramatisch, durchzogen mit leiseren Tönen, ehe es wieder bedrohlich an Kraft aufnimmt. Ein Stück, das mit seiner Melancholie sicherlich vielen Anwesenden aus der Seele spricht. 

„Beten ist Not“, so Lektor Paul-Ernst Nagel, der an diesem späten Nachmittag mit einem geistlichen Impuls zum Nachdenken anregen will. „Wo man hinschaut, gibt es nur Probleme.“ Nagel spricht von einem Unfrieden in der Bevölkerung. Von Sorgen und Nöten, die den Menschen an jeder Ecke begegnen. Krieg, Klimawandel, steigende Kosten – all dies kann beängstigen, ja geradezu lähmen, handlungsunfähig machen. „Geh hin und schau, geh hin und handle“, fordert Nagel auf. „Bewegt euch, verharrt nicht in Erstarrung. Es gibt genug zu tun.“

Ob Theodore Dubois’ „In Paradisum“, der „Marche Réligieuse“ von Camille Saint-Saëns oder César Francks „Cantabile“ – die nachfolgenden Kompositionen der französischen Organisten des 18. und 19. Jahrhunderts haben denn auch eines gemein: Sie sprechen von Sehnsucht und Hoffnung, von Bedrohung und Triumph. Nach einem gemeinsamen Vaterunser und einem kurzen Segensspruch von Paul-Ernst Nagel werden alle Anwesenden mit Viernes „Hymne au soleil“, einer triumphierenden Hymne an die Sonne, in das Wochenende entlassen. Ein Stück, das passender nicht sein könnte, so stellt wohl manch einer beim Verlassen der Kirche fest, als die Sonne den finalen Kampf gegen die Wolken gewonnen hat. Nach Regen folgt halt doch immer Sonnenschein.

Im Herbst sind die nächsten musikalischen Andachten der Reihe WORTundMUSIK geplant. Diese finden immer am letzten Freitag im Monat, d.h. jeweils am 30.09., 28.10. und 25.11.2022 statt. 

Wer nicht so lange warten möchte, kann sich bereits die sommerlichen Open-Air-Andachten unter Pastors Kastanie vormerken. Unter dem Motto „Erlebnis mit Baum“ gibt es neben einer Andacht im Grünen auch die Gelegenheit zum anschließenden Austausch bei Speis und Trank. Getroffen wird sich immer donnerstags, am 23.06., 30.06., 07.07. und 14.07., jeweils um 18.18 Uhr im Pfarrgarten am Kirchplatz 4. Bei schlechtem Wetter kann auf die Kirche ausgewichen werden.