Orte, die Heimat sind – Wo St. Michael steht, werden Wohnungen gebaut

Kirchliche Vertreterinnen und Vertreter der Kirche, der Gemeinde Nordstemmen und der kwg trafen sich in St. Michael und waren sich einig über die Vorteile eines Verkaufs der Kirche. (Foto: Christina Steffani-Böringer)

Auch die Katholische Pfarrgemeinde Heilig Geist Sarstedt, zu der der Kirchort St. Michael Nordstemmen gehört, verliert Mitglieder. Das wirkt sich auf viele Bereiche aus, nicht zuletzt die Finanzen. Seit drei Jahren läuft deshalb der sogenannte Pastorale Immobilienprozess „Zukunftsräume“. Es geht dabei um die Entwicklung von Kirche und Gemeinde für die Zukunft. Das ist inhaltlich zu verstehen, aber auch räumlich. Dabei steht nun für die Gemeinde ein herber Einschnitt an: Die St. Michael-Kirche wird aufgegeben, auf ihrem Grundstück an der Berliner Straße werden Wohnungen entstehen.

Die Entscheidung fällt allen Beteiligten nicht leicht. Aber sie ist gut begründet: Bautechnisch gab es zum Abriss von St. Michael keine finanzierbare Alternative. „St. Michael ist in einem schwierigen Zustand“, formuliert es Matthias Kaufmann, Geschäftsführer der kwg Kreiswohnbaugesellschaft Hildesheim, die das Grundstück erwerben wird. Er meint damit unter anderem den großen Wasserschaden, durch den vom Dach aus der Schimmel in den Kirchraum wuchert. Auch energetisch sei es nicht weit her.

Es war eine schwere, sehr emotionale Entscheidung.“
Pfarrer Harald Volkwein

Aus bautechnischer Hinsicht ist St. Michael mehr als sanierungsbedürftig. Das Dach ist an vielen Stellen undicht, Wasserschäden im Kirchraum zeugen davon. (Foto: Christina Steffani-Böringer)

Der Presseöffentlichkeit wurden die Pläne am 4. November in einem Gespräch mit Pfarrer Harald Volkwein, Marina Seidel, Pfarrgemeinderätin für den Kirchort Sarstedt, der Nordstemmer Pfarrgemeinderätin Barbara Scholz und Diakon Dr. Peter Abel vorgestellt. Auch Matthias Kaufmann, begleitet von der kwg-Auszubildenden Lillian Henze, die Bürgermeisterin der Gemeinde Nordstemmen Nicole Dombrowski mit ihrem Stellvertreter Marcus Tischbier und Franziska Taube, die im Bereich Bau des Bischöflichen Generalvikariats für die Vermarktung von Gebäuden zuständig ist, sowie Bernhard Pawlicki vom Kirchortteam Nordstemmen und Gemeindereferentin Ute Köhler nahmen teil.

4800 Gemeindeglieder in 3202 Haushalten hat die Heilig-Geist-Gemeinde noch insgesamt an ihren Standorten. Davon leben rund 1700 in Nordstemmen. Alle Gemeindeglieder haben noch vor dem Pressetermin Anfang November einen Flyer mit allen relevanten Informationen zu den geplanten Veränderungen per Post erhalten. Denn dass sie zuerst Bescheid wissen und gut informiert sind, ist der Kirchengemeinde wichtig.

Neues Leben
Zuletzt sei die Kirche, die für zweihundert Gottesdienstbesuchende konzipiert sei, „nur noch von zwanzig bis 25 Menschen im Gottesdienst besucht worden“, so Peter Abel. Zur Jahrtausendwende sei Michael eine engagierte, aktive Gemeinde gewesen. Viele hätten die Kirche mit aufgebaut, „das ist Heimat, das aufzugeben ist mit Trauer verbunden“, weiß der Diakon. Doch es habe sich etwas ändern müssen. Nach einer Phase des „Sammelns und Sichtens“ habe man Konzepte entwickelt, ergänzt Barbara Scholz. Kriterien seien die bauliche Situation, aber auch soziale und natürlich die Gemeindegliederzahlen gewesen.

Wir haben gesehen, in die Richtung geht es nicht weiter, wir müssen uns anders bewegen.“
Pfarrgemeinderätin Barbara Scholz

In Nordstemmen wird trotzdem weiter kirchliches Leben stattfinden. „Wir werden Neues entwickeln und gleichzeitig Dinge bewahren und behalten.“ Die kleine, aber lebendige Gemeinschaft bezieht in der Hauptstraße 31 ein Ladenlokal. Zentral gelegen, wird dann dort das Pfarrbüro ab dem 1. Januar 2025 Anlaufstelle sein, in der auch Raum für kleine Gruppen und Angebote ist. Das Konzept heiße für Heilig Geist „Räume öffnen“, das könne man bei einem Ladenlokal mit zwei Schaufenstern auch ganz wörtlich verstehen, betont Abel. Und auch inhaltlich geht es voran. Abel berichtet von einigen der Ideen, die man für die kommenden Wochen habe. Es geht um Netzwerken, spirituelle Impulse, vielleicht einen offenen Kaffee-Treff zum „Über Gott und die Welt reden“. Auch gäbe es in St. Michael eine schöne Krippe. Maria und Josef sollen nun im Advent durch Nordstemmen ziehen auf der Suche nach einer Herberge. Und letztendlich Unterkunft finden an Weihnachten im neuen kirchlichen Treffpunkt.

Gottesdienste wird es in Nordstemmen weiterhin geben. Während der kommenden Wintersaison wird Winterkirche im Pfarrheim gefeiert, das noch bis auf Weiteres genutzt werden kann. Und die Gemeinde ist „in Gesprächen“ mit den evangelischen Gemeinden vor Ort. Es sei „gute ökumenische Tradition, sich Gastfreundschaft zu gewähren“, wie Peter Abel weiß.

Die Christmette an Heilig Abend jedoch wird es dieses Jahr nur in der Heilig Geist-Kirche in Sarstedt geben. „Es wird neue Formen geistlichen Lebens in Nordstemmen geben, aber keine großen Gottesdienste mehr“, so Pfarrer Harald Volkwein.

Was wird mit dem Alten?

Die Orgel, die viele Menschen in Nordstemmen vor Jahrzehnten mit ihren Spenden ermöglicht hatten, wird zukünftig ist der Heilig-Geist-Kirche in Sarstedt im Kirchraum gut sichtbar stehen. (Foto: Christina Steffani-Böringer)

Natürlich werden wir bewahren, was von der Poppenburg runtergekommen ist“, stellt Peter Abel allem voran. Die sakralen Gegenstände, insbesondere die geschichtsträchtige Ausstattung aus der Poppenburg, werden, so Pfarrer Harald Volkwein „unterschiedlichen Nachnutzungen“ zugeführt. Alles sei inventarisiert worden, die wertvollen Gegenstände verblieben in der Pfarrgemeinde. Manches aber sei auch erwerbbar. Die Kirchenbänke von 1971 könne man aktuell bei „kleinanzeigen“ erwerben, wo auch alte Bänke aus Heilig Geist von 1913 angeboten werden. Marina Seidel freut sich, dass die Orgel, die noch in St. Michael steht, demnächst in die Heilig-Geist-Kirche nach Sarstedt umzieht. Und dort gut sichtbar im Kirchraum, näher an der Gemeinde, stehen wird, nicht wie die aktuelle Orgel auf der Orgel-Empore. Barbara Scholz: „Es geht auch um eine Wertschätzung gegenüber den Spendern der Orgel. Sie ist ein großes Identifikationsobjekt.“

Und was wird sein, wenn die Kirche nicht mehr steht? Es soll einen „Erinnerungspunkt“ auf dem dann ehemaligen Kirchengelände geben, wie dieser aussehen wird, ist allerdings noch offen.

Pläne für die Zukunft
Zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt rund zwanzig barrierefreien Wohnungen sollen an der Berliner Straße entstehen. Geplant ist „sozialverträgliches und gefördertes Wohnen, der öffentlich geförderte Anteil wird eine wesentliche Rolle spielen“, doch sei, so kwg-Geschäftsführer Matthias Kaufmann, der Prozess mit der Kommune noch nicht abgeschlossen. So fehle noch das Bebauungsplankonzept. Solange dieses nicht in trockenen Tüchern sei, können die Räume im Pfarrheim St. Michael weiter genutzt werden.

Nordstemmens Bürgermeisterin Nicole Dombrowski hofft, dass es einen entsprechenden Satzungsbeschluss unter Umständen in der 2. Hälfte 2025 geben wird. „Das Konzept finde ich sehr gut für Nordstemmen“, sagt Bürgermeisterin Dombrowski.

Matthias Kaufmann, Geschäftsführer der kwg Kreiswohnbaugesellschaft Hildesheim, berichtet, dass erste Gespräche über Nutzungsprozesse im Dezember 2023 begonnen worden seien mit der Gemeinde, aber auch der Kommune. „Als sichtbar wurde, dass sozialverträglich gebaut werden soll, dass hat für uns einen Unterschied gemacht. Das ist ganz in unserem Sinne“, ergänzt Peter Abel.

Das ist ein Gewinn für Nordstemmen.“
Nordstemmens Bürgermeisterin Nicole Dombrowski

Am 12. November wurden die Pläne im Fachausschuss Klimaschutz, Bau und Umwelt in Nordstemmen beraten, nun gehen sie weiter in die Gremien. Für alle Beteiligten ist das Vorhaben Neuland. Kaufmann: „Für uns ist das ein Erstlingswerk.“ Der Abriss einer Kirche sei für alle emotional. Kirche sei für viele Menschen Heimat. Ebenso wie die Kirchbauten. Aber, versucht Kaufmann zu vermitteln: „Was wir bieten, ist auch ein Stück Heimat.“ Zum Kaufpreis macht er keine Angaben, spricht allerdings von einer Investitionssumme, die „ca. bei 6 Mio. Euro“ läge.

Ich würde gerne bauen ab 2026 und 2027 fertig sein.“
Kwg-Geschäftsführer Matthias Kaufmann

Wenn es nach ihm geht, geht es nun relativ zügig weiter. „Ich würde gerne bauen ab 2026 und 2027 fertig sein.“ Bürgermeisterin Nicole Dombrowski pflichtet dem bei: „Je schneller fertig, desto besser.“ Auch in Nordstemmen herrscht Wohnungsmangel. Sie weiß schon von älteren Menschen, die gerne ihr Haus aufgeben würden, wenn sie dafür in eine barrierefreie Wohnung ziehen könnten.

Gottesdienst zur Profanierung
In einem öffentlichen Gottesdienst am Sonnabend, 16. November, um 18.00 Uhr, wird die Kirche unter der Leitung von Bischof Wilmer profaniert, d.h. ihrer sakralen Funktion enthoben. Eine letzte Gelegenheit, dass die Kirchengemeinde sich von dem Gebäude und damit einer rund fünfzigjährigen Historie verabschieden kann. Denn danach werden keine Gottesdienste in St. Michael mehr gefeiert.

/stb