Bekommt Sarstedt eine Umweltstation?

Mit dem Einzug der NABU-Umweltstation e.V. würde dem alten Direktorenwohnhaus nicht nur eine neue Funktion zuteil, dem denkmalwürdigen jedoch recht heruntergekommenen Gebäude würde auch zu neuem Glanz verholfen werden.

Ein Ort zum Forschen, zum Beisammensein, zum Lehren und Lernen. Wenn es nach Naturwissenschaftler Prof. Dr. Helmut Lessing und Dieter Goy vom Sarstedter NABU geht, soll genau dies in Sarstedt bald Wirklichkeit werden. Lessing und Goy planen den Bau einer Umweltstation, die viel mehr als nur das neue Vereinshaus des NABU Ortsverbands Sarstedt werden soll. Das kürzlich von ihnen vorgestellte Konzept beinhaltet neben Arbeitsräumen und einer Küche auch einen Sitzungssaal sowie ein hauseigenes Labor und eine Werkstatt. Ein ins Gebäude implementiertes Café soll darüber hinaus auch die weitere Bevölkerung anziehen.

Ein großes Vorhaben, so scheint es, doch tatsächlich sind neben der geeigneten Immobilie auch schon entsprechende Investoren gefunden worden. So soll die geplante Umweltstation im alten Direktorenwohnhaus der ehemaligen Sarstedter Zuckerrübenfabrik in der Wenderter Straße ihr Zuhause finden. Das etwa 160 Jahre alte Gebäude wird nicht nur vom Ehepaar Bott zur Verfügung gestellt, sie haben sich auch gleich bereit erklärt, die Finanzierung in geschätzter Höhe von 700.000 bis 800.000 Euro zu übernehmen. Dafür soll die Station nach ihrer Fertigstellung den Namen „NABU-Naturstation Bott“ tragen. Dass diese nun in das alte Direktorenhaus ziehen darf, freut Lessing ganz besonders. „Es ist ein architektonisches Kleinod“, lobt Lessing das geschichtsträchtige Gebäude, das neben einer belebten Historie auch mehrere denkmalwürdige Besonderheiten aufweise. Die Sanierung und Erhaltung des Hauses stünde damit auch ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit. „Abreißen kann jeder“, so Lessing. „Wir haben schon vieles an Sarstedter Gebäuden verkommen lassen“. Man müsse lernen, Dingen wieder eine „neue Wertschätzung“ entgegen zu bringen. In umfangreichen Sanierungsmaßnahmen soll dem altem Haus daher auf zwei Stockwerken neues Leben eingehaucht werden. Neben einer Erneuerung der Dacheindeckung, der Fenster sowie der Heizungs- und Sanitäranlagen sollen auch sämtliche Räume neu hergerichtet und der Anbau vor dem Gebäude durch einen Glas-Anbau mit Dachterrasse ersetzt werden. In diesem könne künftig ein Café eröffnen, das es in dieser Art in Bahnhofsnähe derzeit nicht gäbe. Im Obergeschoss käme das Unternehmen des Ehepaars Heinrich und Natalie Bott, die Wohnbau Sarstedt GmbH, unter. Auch der Einzug weiterer gewerblicher Mieter wäre hier möglich. Der Keller böte genügend Platz für hauseigene Labore sowie eine kleine (Fahrrad-)Werkstatt. Das Herzstück des Gebäudes soll aber die eigentliche Naturstation im Hochparterre sein. Eine Naturstation, die es laut Lessings und Goys Vision „so kaum ein zweites Mal in Niedersachsen gibt“.

In einem neuen Anbau hinter der alten Eibe soll ein Café oder Verkaufsladen mit Dachterrasse zum alltäglichen Verweilen einladen.

Aufgrund der günstigen geographischen Lage böte die Station allerlei Möglichkeiten zum Erforschen und Lernen. Nur wenige Minuten entfernt befindet sich etwa die Seenplatte zwischen Sarstedt und Schliekum sowie das Naherholungsgebiet Giftener Seen. Hier könne man Wasserproben entnehmen oder auch heimische Tierarten, wie den Eisvogel oder den Biber, beobachten. „Es gibt derzeit kein Monitoring in Sarstedt“, erklärt Lessing, daher wisse man nicht, welche und wie viele Tierarten es im Stadtgebiet überhaupt gäbe. Neben der Dokumentation der biologischen Vielfalt stünden aber auch Schutzfunktionen auf dem Plan, sogenannte „Ranger-Aufgaben“, die sich z.B. dem Entfernen von Müll aus der Natur widmen würden. Neben der eigenen NABU-Gruppe sollen aber auch Schulklassen oder Kindergartengruppen, dank der guten Lage in Bahnhofsnähe auch über die Stadtgrenzen hinaus, von der Umweltstation profitieren – „Biologieunterricht hautnah vor Ort“, heißt es. Vortragsreihen, Tagungen sowie Exkursionen und Fahrradtouren sollen den Menschen in Sarstedt und Umland die Natur vor der eigenen Haustür näher bringen. Das Vermieten der Räumlichkeiten für Feierlichkeiten oder die Nutzung als Sitzungssaal für den Stadtrat seien aufgrund seiner guten Ausstattung ebenfalls denkbar.

Noch existiert all dies jedoch nur auf dem Papier und in den Köpfen der Initiatoren. Zunächst stehe die Gründung des Vereins „NABU-Umweltstation Bott e.V.“ aus. Danach müsse man sich um die Festlegung der Geschäftsführung und, als gemeinnütziger Verein, auch um das Einwerben von Spenden kümmern. Kooperationsverträge mit Schulen, das Einwerben von Forschungsaufträgen und eine Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen stünden als nächstes auf dem Plan. Diesbezüglich sei Lessing sehr zuversichtlich, da er selber langjährige Kontakte zur Universität Hildesheim besäße. Aufgrund seines betriebswirtschaftlichen Hintergrunds lege er außerdem Wert darauf, dass die Station „mit schwarzen Zahlen oder zumindest mit einer schwarzen Null“ raus käme. Hier wolle man langfristig eine Trägerschaft des Landes Niedersachsen anstreben, um die monatlichen Kosten von etwa 3.000 Euro für Miete und Mitarbeitende zu decken.

Trotz bester und ausführlicher Planung ist jedoch immer noch nicht klar, ob die Umweltstation überhaupt verwirklicht wird oder doch ein Luftschloss bleibt. Laut eigener Aussage sei es den Initiatoren wichtig, sich auch der Rückendeckung der Stadtverwaltung und insbesondere von Bürgermeisterin Heike Brennecke sicher zu sein. Aus diesem Grund stellten Lessing und Goy ihr Konzept kürzlich bei einer Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt vor, in der Hoffnung, dort auf Zustimmung zu treffen. Hier war der Grundtenor verhalten bis interessiert. Zwar zeigten sich die Mitglieder des Stadtrats grundsätzlich offen, Ratsherr Friedhelm Prior (CDU) stellte jedoch die Frage in den Raum, ob Sarstedt wirklich eine eigene Umweltstation benötige, wenn es doch bereits ökologische Stationen in Laatzen und womöglich auch bald in Hildesheim gäbe. Ob und inwiefern man sich auch finanziell in das Projekt einbringen wolle, ließ man seitens des Stadtrates ebenfalls noch unbeantwortet. Wie Stadtrat und Stadtverwaltung letztendlich abstimmen, bleibt abzuwarten. Nach Ende des Vortrags resümierte Ratsherr Martin Reinckens (SPD) jedenfalls: „Da steckt ganz viel Arbeit hinter und ganz viel Herzblut.“ Sollte schlussendlich grünes Licht gegeben werden, ist mit einer Fertigstellung der Umweltstation in frühestens ein bis zwei Jahren zu rechnen. /jph